Hausarbeit 30.3.95 ---------- Antarktika ---------- Sie hatte sich Hammer und Meißel von einem Nachbarn geliehen. Nachdem sie mehrfach ihre Unterschrift, dann ihre Initialen, ihre Adresse, einige Zackenlinien, dann die Adressen ihrer Kinder in ein Stück Sandstein gemeißelt hatte, nahm sie ein neues Stück, hieb es mit einem wohlgesetzten Karateschlag auseinander und klopfte: "Uns ist es hier zu heiß", dann "wir reisen zum Südpol", dann hielt sie inne, legte den Hammer ordentlich neben den Meißel, betrachtete den Sandstein und sah, wie die letzten Gesteins- splitter nach unten kullerten und liegen blieben (der Nachbar hatte mit dem Meißelsett sein Haus zum Einsturz gebracht), dann nahm sie erneut Hammer und Meißel und arbeitete sorgfältig ihren Namen darunter ein. Dann saß sie da. Später räumte sie die Blumen vom Fensterbrett, beobachtete dabei die Känguruh- vorstellung, dachte an irgend etwas, schob den Tonkrug mit Knochen beiseite, versuchte die Sandsteintafel mit den Zackenlinien zu zerbrechen, verzweifelte, nahm Hammer und Meißel und zerhieb das Stück Stein. Für die Stammesrituale war es jetzt zu spät. Das Treffen des Kaninchenzüchtervereins dauert bis ein Uhr, um halb zwei würde Paolo zurück sein. Sie wartete auf Paolo. Zu all dem das Schnaufen Großvaters. Sie drehte ihn ab. Auf dem Tisch, mitten auf dem Tisch, lagen nun die Trümmer der Steintafeln, darauf stand eingraviert ihr Name Thusnelda. "Uns ist es hier zu heiß", stand auch darauf. Nun würde also Paolo heimkommen, um halb zwei. Es war jetzt ein Uhr. Er läse ihre Mitteilung, würde sich nicht weiter wundern, glaubte wohl das mit dem Südpol nicht, würde trotzdem seine Koffer packen, etwas müßte ja geschehen sein. Er würde seinen Chef anrufen, ihn um einige Wochen Urlaub bitten. Das Büro war heute nicht besetzt. Er würde auf seine schäbige Weise grinsen, sich freuen und sich damit abfinden, vielleicht. Er würde sich in die Tasche greifen, sein Geld zählen, feststellen, daß es zu wenig war, dann langsam die Koffer wieder auspacken. Dann saß sie da, überlegte, ob das mit Großvater wirklich richtig gewesen wäre, las die Gebrauchsanweisung für den Werkzeugkasten noch einmal - leicht nach rechts drehen - verglich die Funktionsweise des Engländers mit der des Fran- zosen, sah wieder ihre Tafeln, dachte an Eisberge, dachte an Paolo. Saß da. Und um halb zwei kam Paolo und fragte: "Wie geht es Großvater?" Eine peinliche Situation, die nur vom kontinuierlichen Pfeifen des EKG-Gerätes durchbrochen wurde, was sozusagen wiederum eine peinliche Stille verhinderte. Er zählte sein Geld nach, stellte fest, daß es reichte und sie beschlossen beide, dem Südpol einen Besuch abzustatten. Was will uns dieser Text sagen? 1. Der Großvater war der Täter! 2. Eine Reise zum Südpol ist nicht immer so teuer wie man denkt. 3. Jetzt reicht's mit den sicken Gags... P.S. Dieser Text ist selbstverständlich eine harsche Kritik an den notdürftigen und ärmlichen Verhältnisse der Kaninchenzüchter und zeigt uns, daß sie ihr ganzes Geld für ein EKG-Gerät ausgeben müssen, daß ihnen dann doch nur das vorzeitige Ableben des Probanten signalisiert.