Hausarbeit 24.1.94 ---------- Interpretation: "San Salvador" ------------------------------ Die Kurzgeschichte "San Salvador" von Peter Bichsel erzählt von einem Mann namens Paul, der abends auf seine Frau wartet und sich langweilt. Unter dieser oberflächlichen Handlung kommt die eigentlich dargestellte Krise in der Ehebe- ziehung zum Ausdruck. Der Text läßt sich in drei inhaltliche Abschnitte gliedern. Im ersten bis Z. 10 schreibt Paul mit seinem Füller sinnlose Sätze auf Blätter. Es kommt zum Ausdruck, daß er sich in seiner Welt nicht wohl fühlt und flüchten möchte. Darauf folgt nach einem Zeitsprung eine Überleitung auf den zweiten Abschnitt, in der wiederum sinnlose Tätigkeiten aneinandergereiht werden. Mit dem zweiten Abschnitt bis Z. 30 werden die Gedanken Pauls an seine Frau Hildegard und deren von ihm vorhergesehenen Reaktionen auf seinen Zettel teils mit erlebter Rede geschildert. Der dritte Abschnitt beginnt abermals mit sinnlosen Handlungen von Paul und bildet mit dem ersten Abschnitt einen Rahmen um die Geschichte: "Dann saß er da." Z.10 und Z. 31. Der Abschnitt endet mit der Ankunft Hildegards, die sich, wie von Paul vorhergesehen hat, die Haare aus dem Gesicht streicht. Die Geschichte wirkt monoton und eintönig, geradezu langweilig. Streckenweise werden absichtlich vollkommen sinnlose und langweilige Tätigkeit pedantisch bis ins Detail beschrieben. (in der Papeterie garantierte man, daß sie schwarz werde) Z. 31 ff ...las die Gebrauchsanweiseung für den Füller noch einmal - leicht nach rechts drehen - usw. Im ersten Abschnitt werden die Sätze parataktisch aneinandergereiht und strahlen dadurch zusätzlich Monotonie aus. Die Zeitenfolge in der Kurzgeschichte unterstreicht die Handlungen und Gedanken Pauls deutlich. Die (sinnlosen) Handlungen in Abschnitt eins und drei sind alle im Präteritum geschrieben; nur die Gedanken im zweiten Abschnitt werden in anderen Tempi geschildert. Der Gedanke an die regelmäßigen Zeiten des Kirchen- chors steht im Präsens, die kurze folgende Handlungskette im Präteritum und die erlebte Rede schließlich im Konjunktiv II. Der Autor stellt in dieser Geschichte eine von Gleichgültigkeit und Beziehungs- losigkeit gefährdete Ehe dar. Paul schreibt seiner Frau auf den Zettel, es sei ihm zu kalt. Wäre diese Kälte nur äußerlich, so würde er wohl mit ihr sprechen. Es muß also eine innere Kälte sein, zwischen ihm und ihr, zumal er ihr durchaus zutraut, daß sie glaubt, er wäre abgehauen. Seine Beziehung zu seiner Frau scheint nur noch aus vorhersehbaren Ritualen zu bestehen, da er ihre Handlungen schon voraussagen kann. ("Sie würde sich mehrmals die Haare aus dem Gesicht streichen" Z. 28, "Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht" Z. 37) Der einzige Zusammenhalt in der Familie scheint nur noch in den Kindern zu bestehen. Pauls einzige Gedanken an Hildegard bestehen in den o. g. Alltags- konventionen, also an die Unperson Hildegard. Die einzige Ebene auf der die beiden Menschen eine Beziehung besitzen, sind eben selbige Rituale, gefühlslose sich wiederholende Handlungen. Die Kinder liegen für die beiden auf der gleichen Ebene. Paul verschwendet keinen einzigen Gedanken an sie. Die Überschrift der Geschichte ist ein Sinnbild für die Sehnsucht und Hoffnung des Mannes nach Wärme und Geborgenheit, die er in der Beziehung so stark ver- mißt. San Salvador kommt zwar in der Geschichte nicht vor, aber der Wunsch nach Südamerika zu reisen, entspricht dem in etwa. Seine Sehnsucht bringt Paul zwar mit dem Füller aufs Papier, ihrer wirklich bewußt genug, um an der Situation noch etwas zu ändern, wird er jedoch nicht.